D&O-Versicherung: Rechtsfolgen bei Unwirksamkeit des claims-made-Prinzips

Als Deckungskonzept der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Unternehmensleiter (kurz: D&O-Versicherung) sehen alle am Markt angebotenen D&O-AVB das claims-made-Prinzip (Anspruchserhebungsprinzip) vor. Zentrales Element dieses Deckungskonzepts ist, dass der die Leistungspflicht des Versicherers (VR) begründende Versicherungsfall nicht schon die Pflichtverletzung eines Organwalters (als der versicherten Person) ist, sondern erst die Geltendmachung eines aus der Pflichtverletzung resultierenden Schadensersatzanspruchs. Auch wenn das aus dem anglo-amerikanischen Versicherungsmarkt stammende Prinzip gelegentlich als systemfremd kritisiert wurde, dürfte seine generelle rechtliche Zulässigkeit (mit Ausnahme einiger seiner Modifikationen) in der Literatur nahezu unbestritten sein. Auch im Rahmen von Entscheidungen zur D&O-Versicherung wurde in der Vergangenheit die Wirksamkeit dieses Prinzips von den Gerichten immer unterstellt. Als erstes Gericht setzte sich 2007 und 2008 das LG München I mit der Vereinbarkeit des claims-made-Prinzips mit dem deutschen Recht auseinander. Nach dem Urteil von 2008 ist das Prinzip grundsätzlich zulässig. Im Mai 2009 bestätigte das OLG München diese Entscheidung im Ergebnis. Die Revision wurde nicht zugelassen. Wird der hiergegen eingelegten Beschwerde stattgegeben, ist nicht ausgeschlossen, dass der BGH im Revisionsverfahren das claims-made-Prinzip für unwirksam erklärt. Dies deshalb, weil schon LG und OLG in ihren Urteilen erhebliche Deckungslücken festgestellt haben, die eine unangemessene Benachteiligung darstellen würden, wären sie nicht durch die weitere Ausgestaltung der AVB kompensiert – wie allerdings im vorliegenden Fall von beiden Gerichten angenommen. Vor allem eine andere Bewertung der Kompensation im Rahmen der AGB-rechtlichen Prüfung wäre denkbar.

Inhalt

Teil 1. Einleitung
A. Hintergrund
B. Methode und Eingrenzung

Teil 2. Rechtsfolgen der Unwirksamkeit des 
claims-made-Prinzips im Anlassstreit

A. Versicherungsschutz des Vorstands im Anlassstreit
I. Deckungsanspruch
1. Wirksamer Versicherungsvertrag, wirksam einbezogene AVB 
und allgemeine Folge der Unwirksamkeit des claims-made-Prinzips
2. Eintritt des Versicherungsfalls
a) Definition des Versicherungsfalls
aa) AVB
bb) Gesetzesrecht
(1) Tatsachenbegriff des § 149 VVG a.F.
(a) Literaturmeinung
(b) Stellungnahme
(2) Dennoch Lückenschließung durch § 149 VVG a.F.?
(a) Literaturmeinung
(b) Stellungnahme
(c) Verschiebung des Vertragsgefüges
(d) Zwischenergebnis
cc) Ergänzende Vertragsauslegung
(1) Zulässigkeit
(2) Hypothetischer Parteiwille
(3) Spannungsverhältnis zur geltungserhaltenden Reduktion
dd) Zwischenergebnis
b) Versicherungsfall innerhalb der materiellen Versicherungsdauer
aa) Zeitlicher Umfang des Versicherungsschutzes
(1) AVB
(a) Versicherungsfall während der Versicherungszeit
(b) Rückwärtsdeckung
(c) Nachdeckung und Umstandsmeldung
(2) Folgen der Unwirksamkeit
bb) Versicherungsfall innerhalb dieser Zeit
3. Verwirklichung eines versicherten Risikos
4. Kein Ausschluss
a) Vorsätzliche Schadenherbeiführung
b) Vorsätzliche Pflichtverletzung
c) Wissentliche Pflichtverletzung
d) Insolvenzausschluss
II. Anspruch nicht untergegangen und Anspruch durchsetzbar
B. Zwischenergebnis

Teil 3. Folgen der Unwirksamkeit des claims-made-Prinzips 
für die D&O-Versicherung in Deutschland

A. Vorbemerkung
B. Erhöhung des versicherten Risikos
I. Unbegrenzte Nachhaftung
II. Unbegrenzte Rückwärtsversicherung, aber nicht im Anlassstreit
III. Zwischenergebnis
C. Unterschied beim Spätschadenrisiko
D. Versicherbarkeit nach Verstoßprinzip fraglich
E. Konsequenzen
I. Gefahr für Organwalter, keinen Versicherungsschutz zu erhalten
II. Eingreifen des Gesetzgebers geboten
1. Rechtsprechung und Literatur
2. Rechtslage in ausgewählten europäischen Staaten
3. Gestaltungsvorschlag für Deutschland

Teil 4. Zusammenfassende Bewertung